Ecuador Teil 4, Amazonia, Cataratas San Rafael, Cotopaxi, Cuenca

 

Probleme:

Kabelbruch am Einspritzdüsen-Kabelbaum, Motor lief unrund. Dadurch musste ich meine Route ändern und nach Quito zurückfahren, aber dort war der Kabelbaum auf Lager und auch rasch gewechselt.

 

Reiseroute:

Ibarra – Cayambe – Quito – Cotopaxi – Latacunga – Laguna Quilotoa – Sigchos - Quito – Termas Papallacta – Baeza – Cataractas San Rafael -Baeza – Mondayacu Canyon – Tena – Misahualli – Ahuano – Puyo – Ulba bei Banos – Quito Werkstatt – Banos -Rio Verde -Ambato – Antigua via Flores – Cunuyacu - Chimborazo – Salinas – Guaranda – San Pedro de Alausi -Azogues – Guacaleo – Cordeleg – Cuenca – Nationalpark Cajas – Loja – Vilcabamba – Loja – Catamayo – Macara (Grenze Peru)

 

Reisezeitraum:

29. April bis 4. Juni 2016

 

Reisebericht

 

Die Zeit in der Finca Sommerwind verging wie im Flug, Die Tage wechseln sich durch mit dem Austausch von Erfahrungen und Reisegeschichten der zahlreichen anderen Overlandern, die fast täglich neu auf dem Camping ankamen und dem Kochen und Helfen im Café am Wochenende. Da Hans und Patricia in ihrem normalen Beruf sehr ausgelastet sind, übernahm ich auch jeden Tag das Kochen für die Familie. Auch galt es praktisch jeden Samstag den wöchentlichen Grill- bzw. Pizzaabend mit den anderen Campern zu organisieren. Hans blickte dabei manchmal etwas skeptisch auf meine Lagerfeuer, die von Woche zu Woche größer und höher wurden. Der tägliche Ablauf und die Aufgaben waren mal wieder eine willkommene Abwechslung im Reiseleben, wer rastet, der rostet. Die insgesamt 8 Wochen, die ich in der Finca Sommerwind verbrachte vergingen wie im Flug.

 

Wie ihr vielleicht wisst, gab es am 16. April ein sehr starkes Erdbeben an der Küste von Nord-Ecuador mit der Stärke 7,8. Wir saßen gerade beim Abendessen, als die Erde zu vibrieren und zu wackeln begann. Die Lampen an der Decke pendelten hin und her, auch unsere Reisefahrzeuge schwanken in den Stoßdämpfern. Der Spuk dauerte gerade mal eine Minute, die Auswirkungen sollten wir in den folgenden Stunden und Tagen aus den Nachrichten erfahren. Mehr als 600 Tote, Tausende Obdachlose und etwa 10000 zerstöre Häuser war die schreckliche Bilanz des stärksten Bebens der letzten Jahrzehnte. Die Hilfsbereitschaft im Lande war groß, in regelmäßigen Abständen wurden Lastwagen mit Lebensmitteln und Hilfsgütern an die Küste geschickt. Hans, Patricia und ich kauften auch Hilfsgüter, von Lebensmitteln bis zu Windeln und übergaben sie den örtlichen Klosterschwestern, die von Yahuaracocha aus einen Hilfs-LKW organisiert hatten. Die Damen nahmen die Güter mit Freude an. Ich hoffe, dass dies ein paar Menschen helfen konnte.

Auffallend war, dass in der Zeit nach dem Erdbeben ein signifikanter Rückgang von Touristen zu verzeichnen war. In unseren Medien kam es teilweise so rüber, als würde das ganze Land in Schutt und Asche liegen. In der Praxis war/ist nur ein relativ kleiner Küstenbereich von dem Unglück betroffen, der Rest des Landes kann ohne Probleme besucht werden. Auch für Ecuadors Wirtschaft ist es wichtig, das die Touristen weiterhin das Land besuchen, Den Menschen kann am besten geholfen werden, indem man „Geld“ ins Land bringt.

Als ich mit Hans in Esmeraldas an der Küste war, hat er nebenbei anklingen lassen, dass er einen Kontakt bei einer Indianergruppe im Amazonasdschungel hat und er diesen einmal besuchen sollte.

Bartolo – so der Name des Indianers des Volkes der Woarani – will den Tourismus etwas ankurbeln und Fahrten auf dem Shiripuno-Fluss zu seinem Stamm anbieten, mit Tier-Beobachtungen und einer Dschungelwanderung. Hans sollte mit ihm die Tour fahren und sie in seinem Camping promoten.

 

Als Hans davon berichtete, war mir sofort klar, das ist meine Möglichkeit, ein bisschen Dschungelluft zu schnuppern. Generell bin ich ja kein großer Wald und Dschungelfreund. Für mich verwandelt sich der Blick ab dem übernächsten Baum in ein undurchdringliches Grün, ich fühle mich beengt. Ich liebe Aus- und Weitblicke. Dazu ist es feucht, dreckig, egal was man angreift, man muss aufpassen, das da kein giftiges Tier sitzt, die Kleidung trocknet nicht mehr, Moskitos und Krankheiten sind immer und überall. 3 Tage Dschungel ist jedenfalls überschaubar, wir sind mit den Indianern alleine unterwegs, eine fast jungfräuliche Entdecker-Expedition quasi.

 

5 Tage sind wir insgesamt unterwegs, von Ibarra nach Coca, einer Stadt am Zusammenfluss des Rio Coca und des Rio Napo gelegen, die das Eingangstor ins Amazonasgebiet ist, brauchen wir je einen Tag hin und zurück. Die Stadt heißt mit vollem Namen Puerto Francisco de Orellana und ist nach jenem Spanier benannt, der von dieser Stadt aus 1542 das Amazonasgebiet erforschte und als erster nach mehreren Monaten die Amazonasmündung am Atlantik erreichte.

 

Bartolo hatte uns ein Hotel organisiert und am Abend unserer Ankunft trafen wir uns dort um die Tour Organisation zu besprechen. Dabei stellte er uns auch seinen Eltern vor, die wegen Grippe ein paar Tage in der Stadt verbrachten, um den Arzt zu besuchen. Die Indianer kannten früher keine Grippe, die Viren wurden von Fremden hier eingeschleppt. Da die Indianer immer mehr Kontakt mit anderen Menschen haben, erhöht sich deren Ansteckungsrisiko. Aber um sich behandeln zu lassen, müssen sie wieder ihr angestammtes Gebiet verlassen um sich dort behandeln zu lassen, wo sie sich angesteckt haben. Paradox eigentlich. Dieser Dinge solle man sich auch als Reisender bewusst sein, wenn man solche Gebiete aufsucht, dass man etwas „mitbringen“ könnte.

 

Als großer Problemfall hierfür stellt sich in erster Linie die Ölförderung des Amazonasgebietes heraus. Probleme in mehrfacher Hinsicht. Tausende Auswärtige dringen in den Dschungel ein und schleppen Krankheiten ein, Straßen werden angelegt, die monatlich tiefer in den Dschungel eindringen, Holzfäller folgen, roden ganze Bereiche ab wegen ein paar Edelhölzer, zum Schluss folgen Bauern, die die gerodeten Gebiete übernehmen und meist unökologische Landwirtschaft betreiben. Nach 3 Ernten ist die karge und dünne Humusschicht ausgelaugt und der Bauer muss weiterziehen, da er keinen Ertrag mehr erzielen kann. Das Spiel beginnt von vorne. Auf dem Weg nach Coca fährt man immer entlang der Pipeline, einer großen Röhre, die auf dem Weg aus dem Dschungel an die Küste die kompletten Anden bis zu einer Höhe von über 4500 m Seehöhe überqueren muss. Mit immensem Energieaufwand muss das dickflüssige Schweröl hoch erhitzt werden um überhaupt Fließ- und Pumpfähigkeit zu erreichen. Da das Öl natürlich rasch wieder abkühlt, stehen alle paar Kilometer Pump und Heizstationen. Firmen wie Baker Hughes und Haliburton geben sich in Coca die Klinke in die Hand, auch die Chinesen mischen groß mit im Öl und Energiesektor, sie bauen gerade ein riesen Wasserkraftwerk einige hundert Kilometer nördlich, um die Energie bereitzustellen, die notwendig ist, um das Öl an die Küste zu transportieren. Momentan laufen viele weitere Projekte auf Sparflamme und viele Ölbortürme stehen still, da sich Ecuador extrem verkalkuliert hat, die Infrastrukturprojekte, die mehrheitlich chinesisch finanziert werden, sind auf einen Ölpreis von 100 Dollar/Barrel ausgelegt. Da die Ölpreise aber so stark verfallen sind und bei 40 bis 50 Dollar dümpeln, kann Ecuador die Kredite nicht mehr bedienen, neue Projekte nicht mehr gestartet, laufende Projekten nicht mehr fertiggestellt werden. Anscheinend sind die Verträge nicht auf die Möglichkeit eines fallenden Preises ausgelegt gewesen, das bricht dem Land gerade das Rückgrat. Zu leiden hat wie üblich die kleine Bevölkerung.

 

Am folgenden Morgen fuhren wir mit Bartolo erst mal Treibstoff kaufen. Ein Fass mit 200 Liter Benzin wird gerade so reichen um uns in den Dschungel und wieder heraus zu bringen. Da wir einige organisatorische Schwierigkeiten hatten, da Bartolo schlecht vorbereitet war, und wir von Coca aus auch noch fast 100 km mit dem Pickup zu dem kleinen Hafen Intangible Tagaeri zu fahren hatten, dies aber nicht wussten, kamen wir erst am späten Vormittag im Hafen an. Bis wir alles bei strömenden Regen verladen hatten und ablegten, war es Mittag geworden.

 

Der Fluss war gerade in einer Niedrigwasser Phase, deshalb kamen wir teilweise nur sehr langsam voran, wir mussten über umgefallene Bäume manövrieren, immer aufpassen, ob die Strömung knapp unter der Wasseroberfläche liegende Hindernisse anzeigt. Da auch bei den Indianern die Moderne eingekehrt ist, haben Glasfieberboote den klassischen Holz-Einbaum ersetzt. Während aber Holz ganz gut über Holz gleitet, Holz hart aber auch elastisch sein kann, brechen die Glasfaserboote viel schneller bei Kontakt mit harten Hindernissen, wie wir später noch erfahren sollten.

 

Je weiter wir flussabwärts fuhren, desto leichter ging es, da der Fluss breiter und tiefer wurde. Nach 100 gefahrenen Kilometern kam das erste Indianerhaus in Sicht. Wir legten an und kämpften uns durch tiefen und rutschigen Matsch die Böschung hoch. Ich und Hans lagen dabei mehrfach fast auf dem Hosenboden, die Indianer tänzelten locker und geschmeidig mit großem Balancegefühl hin und her, sie lachten ob unserer unbeholfenen Grobmotorik.

 

Wir blieben eine Stunde um eine Kleinigkeit zu essen und um einen Blick in das Leben zu werfen. Dann drängte Bartolo auf die Weiterfahrt, da wir noch ein großes Stück zu fahren hätten.

 

Der kreischende Motor durchschnitt die Stille, immer wieder flattern Vögel auf, monoton fuhren wir Stunde um Stunde. Immer wieder liefen wir auf eine Sandbank auf, mussten aus dem Boot raus, um es wieder in tieferes Wasser zu schieben, immer beobachtet von den Augen der Kaimane, die leicht aus der Wasseroberfläche leuchteten. Und hoffentlich verletzten wir uns nicht wegen der Piranhas, die ebenfalls im Wasser schwimmen.

 

Die Sonne verschwand hinter den Bäumen, Dämmerung legte sich über den Dschungel. Auf Nachfrage offenbarte uns Bartolo, dass wir noch mindestens 3 Stunden zu fahren hätten.

 

Dann krachte es. Wir sind wieder einmal über einen im Wasser liegenden Baum gefahren. An einer schon geflickten Stelle ist der Bootsrumpf wieder aufgerissen, Wasser blubbert langsam aber stetig herein. Ich werde zum Wasserschöpfer. Unentwegt schöpfe ich mit dem aufgeschnittenen alten Kanister Wasser aus dem Boot. Das kann ja heiter werden morgen. Innerhalb von 20 Minuten ist die Dämmerung der Finsternis gewichen, ich kann von hinten aus nicht mal den Bug des Bootes erkennen. Gott sei Dank habe ich eine Stirnlampe und eine Taschenlampe eingepackt. Hans liegt jetzt mit der Stirnlampe vorn am Bug und leuchtet das Wasser nach Hindernissen ab, ich leuchte abwechseln das Ufer links und rechts aus. Bartolo sagt, er hat das im Griff, er kennt den Fluss. Ich sage, eine Fahrt im Dunkeln ist gemeingefährlich.

 

Bartolo hatte ja nicht mal selber ein Licht dabei. Um halb 10 Uhr abends kommen wir erschöpft im Camp an, wir hauen noch schnell ein paar Kartoffel und Eier in die Pfanne und dann fallen wir müde in den Schlafsack. Von den Schreien und Zirpen der Insekten bekommen wir nicht mehr viel mit.

 

Nach dem Frühstück brechen wir zu einer Dschungelwanderung auf. Bartolos Bruder fährt uns einige Kilometer Flussaufwärts, dann dringen wir mit der Machete ein in die Tiefen des Waldes. Stockdunkel ist es, der Boden glitschig, immer wieder durchbrochen von kleinen Wasserläufen und Sumpfartigen Untergründen. Einzelne Baumstämme dienen als Brücken. Während Indianer da drüber laufen in einer Leichtigkeit wie Models über den Catwalk, sind die rutschigen Stämme für uns eine Herausforderung. Ich hätte mir irgendein Handtuch einpacken sollen, ständig sind die Hände dreckig und nass, da mag man die Kamera gar nicht bedienen. Bin leicht genervt. Eine Stunde gehen wir jetzt schon durch den Wald, nichts zu sehen außer Schlamm und grünen Blättern. Auf einmal Gekreische und Blätterrascheln über uns. Eine Gruppe Affen. Sie sind ebenfalls genervt und aufgebracht, wegen unserer Anwesenheit, sie fühlen sich gestört. Schimpfen auf uns herunter, brechen Äste und Palmblätter samt Stängel ab und werfen sie auf uns. Wir mussten mehrfach ausweichen. Für eine größere Beule hätten die Kaliber durchaus gereicht. Leider sind sie so hoch und es ist so dunkel, dass es schwierig ist, brauchbare Fotos zu schießen. Wieder setzt starker Regen ein, innerhalb einer Minute sind wir durchnässt bis auf die Haut, die Kleidung trocknet nicht. Deshalb sind Indianer normalerweise nackt, Die Haut trocknet in 15 Minuten. Bartolo führt uns noch zu einem Wasserloch an Dem unzählige Tierspuren im Lehm zu sehen sind. Früh am Morgen kommen die Tiere hierher um zu trinken erzählt Barolo. Aus der Erde dringt irgendein Gas aus, das lockt die Tiere an. Wir hätten hier schon vor dem Frühstück herkommen sollen. Das sagen wir ihm auch. Jetzt haben wir nicht viel davon.

 

Nachmittag besuchen wir eine andere Indianerfamilie. Cahuiya Omaca, so heißt der 51-jährige Herr des Hauses, er ist ein fröhlicher und glücklicher Mensch. Er lädt uns ein in seinem Haus Platz zu nehmen und mit ihm zu essen. Seine Frau bereitet in der Küche (die auch hier schon mit Gasflamme ausgestattet ist) gerade einen Eintopf und frisch gefangenen Fisch zu. Bis das Essen fertig ist, zeigt uns Omaca, wie er seine Jagdinstrumente herstellt. Gejagt wird mit einem Blasrohr, das aus einer Lianen Art hergestellt wird. Diese haben auf einer Seite eine halbkreisförmige Nut, 2 Stück gegenseitig zusammengebunden ergeben ein rundes Loch in der Mitte. Mit Blättern und einer anderen, flexiblen Liane auf ganzer Länge zusammengebunden und fertig ist das Blasrohr. Harte Holzspitzen dienen als Pfeile. Diese werden mit einer zähen Flüssigkeit eingerieben. Carere genannt. Dies ist ein Nervengift, das die Atemwege lähmt. Es wird ebenfalls aus einer Lianen Art hergestellt. Sie wird geraspelt, in einen Köcher aus Palmblätter gefüllt und mit heißem Wasser übergossen. In einem kleinen Gefäß sammelt er die braune Flüssigkeit ein, die unten heraustropft. Diese wird nun zu einem Sirup eingekocht. Fertig ist das Gift. Es reicht aus um Affen und ähnlich große Tiere zu töten, Auch für Kinder und alte Menschen könnte die Dosis tödlich sein. Er wirft deshalb ein strenges Auge auf seinen Sohn, der darf während der Giftzeremonie nicht in die Nähe des Arbeitsplatzes. Die fertigen Pfeile füllt er in einen Bambusköcher und verschließt ihn. Bevor der Pfeil in das Blasrohr eingelegt wird, wird das Ende des Pfeils mit einer Art Baumwolle ummantelt, dass stabilisiert die Flugbahn und dichtet die Luft im Blasrohr ab um Druck aufzubauen.

 

Ich will das ausprobieren. Wir gehen nach draußen und er erklärt mir die Technik. Er weist mir einen dürren Ast zu, den ich treffen soll. Mein Auge fürs Zielen ist geschult, aber das Handling des 3 Meter langen und knapp 8 Kilo schweren Rohres ist schwer. deshalb treffe ich den Ast auch erst mit dem 2. Schuss. Der erste geht etwa eine Handbreit davon vorbei. Prüfung bestanden, ich könne auf Jagd gehen, lobt er mich.

 

Seine Frau holt uns zum Essen. Mit einem etwas mulmigen Gefühl probieren wir die Köstlichkeiten. Ich habe vorher schon mal in den Topf geschaut, und na ja, sagen wir mal gewöhnungsbedürftiges erwartet uns.

Der Fisch geht ja, aber in dem anderen Topf schmort gerade ein kleiner Affe mit Yukka Wurzel. Jeder von uns bekommt einen Teil. Da auch hier Gastfreundschaft und Respekt gegenüber dem Gastgeber als oberste Besuchsregel gilt, gilt es mit freundlichem Blick zuzubeißen. Ablehnen könnte als unfreundlich aufgefasst werden.

 

Während des Essens erzählt er uns, dass er vor 20 Jahren für 4 Monate in Freiburg in Deutschland gewesen sei. Ein Missionar, der hier im Dschungel versuchte, die Indianer zu missionieren, hatte gefallen an ihm gefunden und ihn mitgenommen. Er fühlte sich allerdings in Deutschland nicht wohl und wollte zurück. Zurück in seinen Dschungel. Das sei sein Leben sagt er, ohne ihn könne er nicht leben. Er hält nichts vom Fortschritt, kann mit den modernen Dingen des „zivilisierten Lebens“ nichts anfangen.

 

Am 3. Tag befuhren wir den Shiripuno flussaufwärts, diesmal bei zwei Meter höherem Wasserstand. Mehrfach sahen wir heute Schlangen, darunter auch eine sechseinhalb Meter lange Anakonda. Diese verdaute gerade ein größeres Mahl, ersichtlich an der großen Ausbuchtung in ihrem Laib. Das gefressene Tier dürfte die Ausmaße eines mittleren Hundes gehabt haben. Wir beobachten die Schlange, sie hat ein Geschwür über dem Auge und kann mit diesem nichts mehr sehen. Die Indianer überlegen, ob sie die Schlange mitnehmen sollen in eine weiter oben gelegene Tieraufzuchtstation. Sie probieren die Schlange ins Boot zu heben, zu schwer, das Boot könnte kentern. Hans und Ich dürfen die Schlange auch mal hochheben und berühren, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Echt Wahnsinn, wie schwer die ist. Die Haut fasst sich sehr fest an.

 

Die Indianer haben das Boot provisorisch repariert, diesmal brauche ich nicht Wasserschöpfen. Sie suchen immer wieder am Flussufer nach einem speziellen, sehr kompakten Lehm, dichten das Leck damit ab und stellen einen Sandsack drauf. Das hielt sehr gut. Auf dem Rückweg nach Coca sind auch die beiden Frauen von Bartolos Bruder Otovo mit dabei und das Baby. Ja ihr habt richtig gelesen, die Indianer haben meist mehrere Frauen. Dies ist abhängig davon, wie gute Jäger sie sind. Sie können so viele Frauen haben, wie sie wollen, sie müssen sie nur ernähren können. Generell gibt es hier einen Frauenüberschuss, da das Leben im Dschungel gefährlich ist, sterben viele Männer bei der Jagd. Da die Frauen dann keinen Ernährer mehr haben, werden sie meist vom Bruder des Verstorbenen übernommen bzw. sie suchen sich einen anderen Mann, der sie ernähren kann. Otovo hat mit seinen Frauen insgesamt 6 Kinder, davon sein eines gestorben, das Baby ist bei ihnen, es ist erst einige Wochen alt. Die anderen 4 Kinder gehen in Coca in die Schule.

 

Die Woarani galten lange als das kriegerischste und tötungsfreudigste Indianervolk im Amazonas. Durch die Erschließung des Amazonasgebietes kamen sie zwangsläufig mit der Zivilisation in Verbindung. Die Woarani spalteten sich in 3 Untergruppen auf. Eine, das ist die, die wir besucht hatten, blieb relativ nah an der Dschungelgrenze, haben ihre Lebensweise in eine halbsesshafte geändert und fahren auch in die Stadt. Die anderen beiden Gruppen haben sich weiter in den Dschungel zurückgezogen, wollen mit der Zivilisation nichts zu tun und ihre Ruhe haben. Personen die sie besuchen wollen, werden gnadenlos angegriffen und versucht zu töten. Beide Gruppen pflegen auch eine große Feindschaft untereinander, es kann momentan niemand sagen, ob beide Gruppen noch existent sind, oder ob eine die andere ausgelöscht hat.

 

Durchwegs eine sehr interessante Tour, die auch noch ein, zwei Tage länger hätte dauern können. Wir haben Bartolo ein paar Ratschläge mit auf dem Weg gegeben, was er an seiner Tour verbessern könnte, falls er das umsetzt, wäre die Tour definitiv zu empfehlen. Ein bisschen Abenteuer jedenfalls. Andererseits habe ich festgestellt, dass der Dschungel auf Dauer wirklich nicht meins ist, einfach zu feucht und dreckig. Ebenfalls ist das nicht gut für die Elektronik. Berge und Wüsten bleiben meine Favoriten.

 

Tipp für Dschungelfreunde: Per Boot von Coca nach Nuevo Rocafuerte an der Grenze zu Brasilien und von dort via einen anderen Bootes nach Iquitos. Für Pi mal Daumen 160 Euro lässt sich dieser Trip organisieren. Von Iquitos könnte man auf dem Rio Maranon wieder in die Berge fahren in Nord Peru.

Während meines Aufenthalts in der Finca Sommerwind durfte ich Lena kennenlernen. Sie reiste als Backpacker durch mehrere südamerikanische Länder, immer wieder zwischendurch arbeitend als Volontär. Sie arbeitete für 4 Wochen auf Sommerwind im Café und wollte zur gleichen Zeit weiterreisen wie ich. Da die Wege die gleichen waren nahm ich sie mit und wir fuhren zusammen.

 

Nach wochenlanger, harter Arbeit muss man sich mal entspannen und wo geht das besser als in einer Therme. 2 Stunden von Quito auf dem Weg nach Baeza liegt die idyllische Terma de Pappalacta. Wir entspannen bei Wassertemperaturen zwischen 33 und 42 Grad. Der nebenbei fließende Wildbach bot sich als willkommene Abkühlung an.

 

Von Baeza der Straße nach Norden folgend erreicht man nach 2 Fahrstunden Ecuadors größten Wasserfall. 140 m hoch rauschen die Wassermassen in die Schlucht hinunter. In Zukunft wird dieser Wasserfall eine Beeinträchtigung erfahren, da im Umfeld die Chinesen gerade ein riesen Wasserkraftwerk bauen (siehe oben – Energie für Ölpumpen) Des Weiteren entstehen gerade riesen Stromtrassen, die den überschüssigen Strom nach Quito leiten.

 

Nach einem grandiosen Schauspiel müssen wir uns aber noch um einen anderen Übernachtungsplatz umschauen, da auf dem Parkplatz Camper nicht mehr geduldet werden. Der Parkranger schickt uns zu einem Platz einige Kilometer zurück, am Rio Malo. Direkt am Fluss erlaubt uns das Ehepaar, das dort ein kleines Restaurant betreibt, zu campen. Wir führen eine kleine Unterhaltung mit ihnen, sie bereiten gerade Empanadas zu, die sie auf dem Markt verkaufen. Das Haus ist nicht fertig, sehr rustikal, hat keine Wände. Ein Bett mit Moskitonetz steht in der Mitte, eine Couch mit einem Feuerplatz daneben. Der Fernseher ist 30 Jahre alt.

 

Nur ein kleiner Fußmarsch, über glitschige Steine und sumpfige Wege führt zu dem ebenfalls gewaltigen Wasserfall des Rio Malo. Es regnet leicht und die Gischt des Wasserfalls durchnässt uns sofort. Leider kein guter Tag für Fotos. Auf der Rückfahrt werfen wir noch einen Blick auf den Kraftwerksbau.

Wir fahren zügig Richtung Süden, der Regen verfolgt uns täglich, dabei sollte die Regenzeit zu Ende gehen. Eigentlich wollten wir den Canyon de Mondayacu etwas nördlich von Tena durchwandern. Bei gutem Wetter soll es dort sehr schön sein, man soll in den natürlichen Becken auch baden können. Aber es gibt praktisch keine Infrastruktur, nur einen kleinen Trampelpfad, und durch den Regen ist der Abstieg so rutschig, das wir beschließen, umzudrehen. Daraufhin steuere ich nochmal Misahualli an, wir checken wieder in der Dschungellodge Sinchi. Diesmal klappt auch der Besuch in der Tieraufzuchtstation Amazoonica, den musste ich bei meinem Ersten Besuch wegen des Hochwassers streichen. Es gibt viele Tiere zu sehen, Tiere die Verletzungen hatten, Tiere, die aus Tiershows kommen, Tiere, die bei Razzien illegalen Tierhändlern abgenommen wurden. Auf der einen Seite gibt’s interessante Informationen zu hören, auf der anderen Seite schauen manche Käfige sehr trostlos aus.

 

Auf dem Rückweg beginnt der Landy zu stottern, läuft nur mehr auf 4 Zylindern. Langsam mit wenig Gas fahren wir weiter nach Puyo und ich zeige Lena den Parque Omaere. Hier haben Biologen einen Natur- und Pflanzenlehrpfad angelegt und erklären die Verwendung von Pflanzen für medizinische Zwecke und man erfährt ein bisschen was über das Leben der Indianer. Via Banos müssen wir zurück nach Quito fahren, da sich der unruhige Motorlauf nicht bessert. Das Diagnosegerät zeigt einen Fehler einer Einspritzdüse an, ich muss nochmal in die Werkstatt.

In Banos gibt’s allerding auch noch in paar Kleinigkeiten zu sehen, dazu feiern Lena und Ich gleich hintereinander Geburtstag. Lena am 26. Mai, ich am 27. Sie wünscht sich Schaukeln am Casa de Arbol. Ich hatte das letzte Jahr ausgelassen. Mittlerweile hat sich das Schaukeln hinaus in das Tal als Touristenmagnet entwickelt. Wir schaukeln ein bisschen rum und treffen auf Paul, einem Schweizer Landyfahrer. Auf dem Weg zu Sue´s Pequeno Paraiso steht noch ein bisschen Zip-lining auf dem Programm. Mir ist es gemütlich lieber, ich genieße mein Geburtstagssteak in netter Gesellschaft von Sue, Lena und einer guten Flasche Rotwein. Danke nochmal an die Familie Tanner für das Geschenk.

Dank Taller Faconza in Quito stellte sich schnell heraus, dass nur der Kabelbaum einen Kabelbruch zu einer Einspritzdüse aufweist, den hatten die auf Lager, getauscht in 20 Minuten, Problem erledigt. Und mit Lena habe ich noch einen kleinen netten Stadtrundgang gemacht. Die Kamera blieb dabei zuhause.

Bei meiner ersten Durchfahrt durch Ecuador letztes Jahr war der Cotopaxi wegen des Ausbruchs gesperrt. Diesmal war die Durchfahrt durch den Nationalpark offen, lediglich die Auffahrt zum Refugio war und ist (Stand Mai 2016) nach wie vor gesperrt. Wir hatten teilweises Wetterglück, immer wieder öffneten sich die Wolken und gaben einen – zwar kurzen – Blick auf den Gipfel frei, dessen steile, gleichförmige Flanken einen intensiven roten Kontrast zu dem weißen Schnee und Eisfeldern des Gipfels boten. Trotz Lenas Frostempfindlichkeit beschlossen wir dort oben zu campen und erlebten einen genialen Nachtblick auf den Vulkan. Für Lena baute ich anschließend noch einen Abstecher zur Laguna Quilotoa ein, die ich ja auch letztes Jahr schon mal besucht hatte.

Auf dem weiteren Weg zum Chimborazo fuhr ich von Ambato her hinten um den Vulkan rum, auf einer kleinen Nebenstraße, der Via antiguo Flores. Die kleine Straße windet sich entlang des Rio Ambato sanft das schöne Tal hinauf, immer die Landschaft ändernd, von saftigem Grün und Wald, bis sie am Chimborazo in eine Gebirgswüste übergeht. Wir begegneten freundlichen Einheimischen und Reitern hoch zu Ross, die nichts gegen ein paar Fotos einzuwenden hatten. Am Chimi hatten wir leider Wetterpech, die Nebelsuppe blieb zu. Für Lena war es trotzdem ein Erlebnis, da sie mit 5000m einen persönlichen Höhenrekord erreichte.

Mein ursprünglicher Plan wurde wieder einmal durch das Wetter, sprich durch den uns nach wie vor verfolgenden Regen durchkreuzt und so fuhren wir statt der E 35 unten entlang des Dschungels, oben auf den Anden immer der E 45 folgend gen Süden. Die Route ist mir vom letzten Jahr her schon bekannt, deshalb habe ich die Kamera nicht so oft ausgepackt. Ein paar Bilder vom Bahnhof in Alausi und vom Markt in Guacaleo, dessen Besuch sich glücklicherweise wieder an einem Sonntag ausging. Von dem Markttreiben konnte ich mich schwer trennen, die gebratenen Schweine ließen einfach nicht ab von mir. 22 dieser gebratenen Schweine streckten mir ihre saftigen Hinterkeulen entgegen, überzogen von knuspriger, knackiger Haut. Wer kann da Nein sagen? Hier fühlt man sich wie Obelix im Wunderland.

Gut gestärkt besuchten wir Nachmittag die in der Nachbarschaft gelegene kleine Stadt Cordeleg. Sie ist bekannt für die zahlreichen Schmuckgeschäfte. Früher wurde hier Silber abgebaut und verarbeitet, heute wird auch viel Goldschmuck hergestellt. Unser Interesse wechselte aber bald zu einem an der Plaza stattfindenden Tanz-Bewerb. Einige Gruppen junger Nachwuchstänzer maßen ihr Können im Vergleich. Die farbenfrohen, traditionellen Kleider konnten leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass die jungen Menschen noch ein wenig Übung brauchen, um die Tänze zu perfektionieren.

 

Einen Tag verbrachten wir im leider sehr kalten Las Cajas Nationalpark bevor wir nach Cuenca fuhren.

Cuenca ist eine Stadt, die ist schön genug um dort auch ein zweites Mal einzukehren. Ich steuere dort wieder den stadtnahen Campingplatz bei Umberto an und wir bereiten unser Nachtlager vor. Kaum sind wir fertig, biegt ein Mercedes Camper ein. Werner und Christine. Na so eine Überraschung! Vor fast 2 Jahren verbrachten ich, meine Eltern und die Beiden einige schöne Tage zusammen in Salta in Argentinien. Tolle Sache. Wir hatten uns viel zu erzählen und beschlossen gemeinsam den nächsten Tag in der Stadt zu verbringen. Neben einer kleinen Runde der üblichen Sehenswürdigkeiten in der Stadt konnten wir den vielen süßen Verlockungen nicht wiederstehen, die an allen Ecken an diesen Tagen wegen irgendwelcher Feierlichkeiten verkauft wurden.

 

Nach einem stärkenden Mittagessen verbrachten wir den Nachmittag in der Hutfabrik des Panamahutmuseums. Gegenüber meinem Besuch im letzten Jahr wurde diesmal mehr gearbeitet, geflochten, geschnitten und vernäht. Sie hatten sehr viele Roh-Hüte zu bearbeiten, deshalb konnten wir sehr viele Arbeitsschritte sehr detailreich besichtigen.

Der Panamahut

Loja liegt auf dem Weg zur Grenze und hat bis auf das Stadttor nicht viel zu bieten. Dieses ist allerdings wirklich sehenswert. Es ist ein Nachbau eines spanischen Stadttores, flankiert von Türmen, Denkmälern und einem großen Reiterstandbild.

 

Es folgt Vilcabamba, das Dorf der Hundertjährigen. Wie bei meinem Besuch letztes Jahr gab es zwar keine Hundertjährigen zu sehen, dafür aber jede Menge schräger Amerikaner und Aussteiger, die sich dort niedergelassen haben. Sitzend in einem der kleinen Kaffees, die sich rund um die Plaza unter den alten Holzverandas befinden, ist es ein Genuss, diese schrägen Typen zu beobachten.

 

Wir genossen 2 relaxte Tage in dem Deutsch geführten Hostal Itzcayluma, dann fuhren wir via Catamayo gemütlich der Grenze entgegen. Das Klima und die Landschaft änderten sich wieder einmal sehr rasch, es wurde trockener und heißer. Die Grenzstadt Macara sei der heißeste Ort in Ecuador heißt es. Temperaturen weit jenseits der 40 Grad sind keine Seltenheit. Im Schatten eines unförmig und verwunschen aussehenden Flaschenhalsbaumes erfrischen wir uns ein letztes Mal mit frisch gepresstem Zuckerrohrsaft, stempelten die Pässe aus und fahren über die Grenzbrücke nach Peru.

 

Dass die dortige Einreise wieder einmal ganz anders verlaufen sollte wie geplant und das sich der Spruch „Jede Grenze hat ihre Geschichte“ auch an diesem Grenzübergang bewahrheiten sollte, das mussten wir in den darauffolgenden, nervigen Stunden erfahren.

 

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